Skipper's Wellness - Weekend

Erfahrungsbericht über das Sicherheitstraining des Kreuzer-Yachtclubs im Schulungs- und Trainingszentrum der Bundesmarine in Holstein / Ostsee.

Nach einer eigenen Havarieerfahrung in Zeeland (siehe Internetlink) wurde bei Gesprächen und Überlegungen mit Freunden und Clubkameraden häufig Seenot und Mann über Bord (MoB) das Thema "Nummer eins" im Club und in den Häfen. Die Diskussionen in den Fachforen im Zusammenhang der SKS-Prüfung als Pflichtausbildung wegen angeblich gestiegener Unfallzahlen taten noch ihr übriges. Da ich meine eigene Situation bei einem MoB auf See als durchaus gegeben ansehe, schenkte ich also meiner besten Co-Skipperin ein Seenotsicherheitstraining gleich zu ihrem Geburtstag. Konnte ich mir doch dabei sicher sein, dass dies meine eigene MoB-Chancen um einiges verbessern würde. Wer sich nun schmunzelnd darüber lustig macht, sei gleich daran erinnert, dass die Unfallstatistik gnadenlos abrechnet. Bei den Sportbootfahrern sind die am meist gefährdeten die Männer zwischen 55-70 Jahren in Paarcrews oder als Einhandsegler! Wenn der Skipper bei Paarcrews über Bord geht, ist die Chance statistisch sehr gross, das die Mitseglerin entweder das Boot nicht in ein zielführendes Rettungsmanöver bekommt oder den fülligeren Bootsgenossen wegen des Gewichtes einfach nicht an Bord bekommt. Bei z.B. 8 Grad Wassertemperatur hat man nach 15 Minuten Schwimmen vielleicht noch 2-3 mal die Chance über das Fallreep selbstständig an Bord zu kommen. Hoppla- und dann ist man eben mal neben seinem eigenen Boot quasi in den Händen der Geliebten auch schon erfroren. Die Seeunfallstatistik berichtet solche tragischen Vorfälle zu genüge.

Die jährliche Gesamtzahl der Toten unter den Sportbootfahrern auf See ist im ganzen Jahr nicht höher als die tägliche Todesrate der Verkehrstoten in Deutschland. Das hört sich schon etwas beruhigend an. Warum man nun ein neuen Führerschein (SKS) deshalb machen sollte, hat sich mir bis heute nicht erschliessen können. Lehnen Sie sich als Charterskipper nun nicht unbesorgt zurück, aber Charterfahrer sind tatsächlich wenig in den tödlichen Statistiken aufgetaucht.

Das Ausbildungs- und Trainingszentrum in der Kaserne der Bundesmarine in Schleswig Holstein an der Ostsee ist ein maritimes Urgestein. Die Unterkünfte erinnern den einen oder anderen an seine frühere Rekrutenzeit. Unsere Ausbildungsgruppe umfasste 38 Segler und Seglerinnen. Eine Gruppe eines Frauensegelvereins war mit einer eigenen Frauensegelcrew angetreten. Diese ließen es sich nicht nehmen, die gesamte Zeit, zwar nicht im Gleichschritt, aber doch geschlossen zusammen zu trainieren. Zum Glück waren sie beim Abendessen in der Offiziersmesse wenigstens auch einzelnd ansprechbar.

Theorie und Praxis waren ausgewogen an den zwei Tagen der Schulung gleichmässig verteilt. Zuerst gab es eine theoretische Unterweisung,

danach ging es in die praktische Anwendung in den Bereichen der Feuerbekämpfung, Leckabdichtung bei Wassereinbruch, Nutzung der Rettungswesten und Rettungsinseln. Zum Schluss gab es Feuerwerk satt mit Seenotraketen und Signalmitteln aller Art.

Wer an Sylvester also gern zu den Krachmachern gehört, kommt hierbei dann voll auf seine Kosten.

Die Gesamtgruppe wurde anfangs in zwei grosse Gruppen geteilt. Selbst Ehepaare wurden gebeten, sich in unterschiedliche Trainingsgruppen aufzuteilen.

Die Löschübung fand in einem eigens dafür gebauten Gebäude statt, das es ermöglichte, realistische Feuerlöschübungen an dafür hergestellten Schiffssegmenten und Helikoptermodellen zu üben. Nach der theoretischen Einweisung ging es mit Feuerschutzhaube, Staubschutzmaske und Sichtschutzbrille zur realistischen Übung.

Die gängigen Feuerlöscher mit Pulver und CO2-Inhalt wurden in Position gebracht. In Begleitung eines Ausbilders näherte man sich dann dem entzündeten Flammenmeer und ging in langsamen kreisenden Bewegungen dem Feuerherd zu leibe. Zum Schluss gab es eine Übung mit einer Branddecke und eine Löschübung mit zwei Löschschläuchen. Eine Feuersbrunst von gut 3-4 Meter Höhe und 3x3 Meter Ausdehnung, die hier in einem Maschinenraumbrand simuliert wurde, konnte mit zwei Gruppen und Wasserschlauch erfolgreich durch Wassernebel bekämpft werden. Nach der Übung ist m.E. die Löschdecke ein weiteres sehr geeignete Löschmittel an Bord eines Sportbootes, gemessen an seiner Effizienz und Prakitikabilität. Diese, auch in jedem Baumarkt erhältlichen Decken haben einen hohen Effektivitätsgrad und sind für kleines Geld zu haben.

Nachdem man alle Feuer gelöscht hatte, ging es weiter zur Abdichtung von Leckagen. Hierzu war ein orginal Schiffssegment in einer Halle aufgebaut, in dem an einigen für die Manschafft nicht sofort ersichtlichen Ecken bei der Übung das Wasser mit 1-2 Bar Druck und 24° C in das Schiffsinnere schoss.

In kürzester Zeit waren plötzlich aus der Mannschaft ein hektisches nasses Bündel geworden, das mit Stress bis zum Anschlag versuchte, dem eindringenden Wassern Herr zu werden.

Der Ablauf war immer gleich, zuerst mit dem Körper oder mit der Hand das Loch provisorisch zuhalten. Dann musste das Team Dämmstoffe, Matten, Kissen etc. heranschaffen.

Die Holzbretter werden nun so verkeilt, das der Dämmstoff das Loch dichtet. Die kniffelige Aufgabe besteht dann in dem Stressgewimmel klare Organisations- und Handlungsstrukturen aufrecht zu erhalten. Das Loch ist haltbar mit Holzpflöcken und Balken so zu dichten, dass unter realistischen Seebedingungen das Leck möglichst weitgehend wenig Wasser einlässt.

Die Bilgenpumpe sollte in dem ganzen hektischen Getümmele auch nicht vergessen werden. Ein Team befand sich im geflutetem Trainingsschiff, während zwei andere Teams draussen zuschauten und sich später in der Manöverkritik übten. Aber auf einen Lerneffekt bei gleichen Abläufen war nicht zu spekulieren, da das Wasser beim nächsten Team wieder woanders reinschoss. Eine m.E. hocheffektive Trainingsmöglichkeit, um unter Stresssituation koordinierte Seemannschaft zu üben. Von einem Stahlschiff zu einem Sportboot ist wohl ein Unterschied, jedoch war diese Übung sehr lehrreich. Die Dichtmaterialien sind ein wenig unterschiedlich, das Ziel das Wasser aus dem Boot zu bekommen und über der Wasserlinie zu halten, ist das gleiche.

Das Training mit Rettungswesten und Rettungsinseln nahm einen besonderen Stellenwert unter realistischen Wellenbedingungen in einem Hallenbecken mit 32° C Wassertemperatur ein. Zuerst wurden wir in Bundeswehrdrillich eingekleidet. Die Hemden und Hosen waren schon ein wenig spacks bei den wohlgenährten Zivilisten.

Das Aufentern von der Bordwand nach Auslösen und Entfalten der Rettungsinsel wurde als erstes geübt, bis man in verschiedenen Rettungsinseln eng wie die Sardinen in einer Dose eingefercht hockte. Schimpfen und betteln zwecklos - Singen durften wir aber.

Der Skipper einer jeder Insel-Gruppe hatte eine Kotztüte parat - sie sah ein wenig klein aus für 16 Personen. Die Dünung lässt die Insassen wie auf einer Achterbahn ordentlich durchschaukeln. Wenn dann die beiden Öffnungen zu sind, hat man keine Sicht mehr auf den Horizont. Die weiteren persönlichen Frühwarnzeichen einer sich ankündigen "Mövenfütterung" brauche ich jetzt hier nicht im einzelnen zu beschreiben. Der Höllentrip in der Gummizelle wurde nach ca. 7 Min. für uns Freizeitskipper beendet. Die Jungs von der Marine werden da länger drin weichgekocht. Ich habe den Ausbilder für diese Sektion später beim gemütlichen Beisammensein in der Offiziersmesse noch genauer dazu befragt. In den ersten 1.5 Stunden durchläuft jeder in einer solchen Rettungsinsel alle 20- 30 Minuten ein weiteres Martyrium der Orientierungslosigkeit und des Würgens um seine zuvor vielleicht noch verspeisten Leckereien. Nach drei Stunden tritt bei Allen eine Lithargie ein und jedem ist so ziemlich egal, ob er an Ort und stelle sofort verstirbt oder vielleicht Jahrzehnte später in seinem eigenen warmen Bett. Eine Mannschaft hatte tatsächlich in der Insel zu singen begonnen. Sie berichteten interessanter Weise weniger würgende Nebenwirkungen wie andere Teilnehmer. Der Überlebensrekord in einem solchen Gumminferno liegt übrigens bei 102 Tagen eines Ehepaares auf dem Pazifik - mir haben die 7 Minuten schon gereicht!

Die Insassen sollten danach nun an einer Bordwand über ein Kletternetz ca. 4 Meter aus der schaukelnden Rettungsinsel aufentern. Wie besoffene Faultiere hangelten wir gut im Futter stehenden Sportbootsfahrer die senkrechte Wand hinauf.

Das hatte schon etwas - bloss nicht nach untern schauen - ich hab's mal probiert - kein wirklich gutes Gefühl sag ich Euch. Oben standen schon die triefenden Geretteten und riefen uns ermunternde Worte und Durchhalteparolen zu. Jede Hand die gefasst war, wurde über die Bordwand gezogen. Obwohl das alles unter idealen Temperaturbedingungen ablief, waren wir alle bis zu den Ohren vollgestopft mit Adrealin. Um so schöner dann oben zu stehen und zu den Geretteten zu gehören. Dieses Hochgefühl sollte nicht lange andauern, danach gings gleich wieder in das tobende Wellenmeer zurück. Sprung aus ca. 4 Metern Höhe in das Wellenbad mit Regensimulation. Beim Aufschlag aufs Wasser soll zeitgenau die Rettungsweste mit Leinenzug ausgelöst werden und man sausst nach dem Eintauchen unter Wasser wie ein "high-speed-Korken" oben aus der Brandung.

Was für ein Training Freunde, sowas vergisst man so schnell nicht. Danach fühlt ihr euch nicht wie der Seewolf, danach seid ihr es. Wie die Korken tanzten dann die Trainingsteilnehmer in der Brandung und sollten einen Kreis mit anderen Gewasserten Hand an Hand bilden. Im weiteren Training wurden die Rettungsinseln mit entfalteter Rettungsweste aufgeentert. Ein schwankendes Inferno, das alle Mageninhalte und die Seefestigkeit geradezu herausforderte.

Im Anschluss durfte jeder, der sie dabei hatte, seiner Rettungsweste inklusive der eigenen Bekleidung ausprobieren. Lediglich 2% der Rettungswesten schafften es von einer treibenden Bauchlage den Körper automatisch in die Rückenlage zu drehen. Der Rest der Teilnehmer/Innen wäre bei Bewustlosigkeit einfach mit der eigenen Rettungsweste ersoffen. Eine der mitgebrachten Rettungswesten öffnete sich nur zu einem Drittel. Der erschrockene Teilnehmer hatte sie gerade neu im Fachhandel gekauft. Ein Fabrikationsfehler, eine durchgezogene Naht im Auftriebskörper verhinderte das Aufblasen von 2/3 der Rettungsweste. Der Teilnehmer hätte diesen eklatanten Mangel der Markenweste erst im Seenotfalle bemerken können - was für eine Ironie des Schicksals. Nachdenkliche Gesichter gab es nach allen Übungen, aber die Tatsache, das eine teuere Marken-Rettungsweste einen Produktionsfehler hatte, die im Notfall erst bemerkt worden wäre, dass ist schon ziemlich ernüchternd. Wer also seine Rettungsweste vor dem nächsten Inspektionstermin ausprobieren will, nur zu, nur zu.

Zum Schluß gabs noch die Übung Abbergen mit dem Heli - statt Heli gabs einen Laufkatze als Kran

Zusammenfassend sei bemerkt, dass das Sicherheitstraining, wie es hier angeboten wurde, einen riesen Spassfaktor gehabt hat. Es war erste Sahne für ein Training guter Seemannschaft. Der Veranstaltungsort ist aufgrund der hervorragenden technischen Ausrüstung und Möglichkeiten sehr gut gewählt. Gelegentlich geäußerte Bedenken, dass das Training für Stahlboote bzw. Berufsschifffahrt ausgelegt sei, sollte keinen Segler davon abhalten es zu nutzen. Mir ist nicht bekannt, dass so ein Training als vergleichbare Veranstaltung zu diesen Konditionen irgendwo noch angeboten wird.

In diesem Sinne, Kameraden/Innen, falls ihr an eurem Leben hängen solltet, hier bekommt man beigebracht, wie man sich sein Leben möglichst lange erhalten kann - auch wenn einem dabei kotzübel werden sollte.

Autor: Bendix Landmann



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