" ... umlaufend 1-2 Beaufort, in Böen 6"

Reisebericht über einen dreiwöchigen Segeltörn mit West-Ostquerung durch den Limfjord in Norddänemark, Skandinavien.

von Bendix Landmann

Der Siebenschläfer 2007 hatte für uns unbedarften Meteorologen schon seine Schatten voraus geworfen, und in der Vorplanung waren uns erste Bedenken über das Seegebiet in der unmittelbaren Nähe zum Skagerrak aufgetreten. Vielleicht sollten wir doch lieber "Rund Korsika" segeln? Nun war der Limfjordtörn schon seit einem Jahr mit Freunden vorgeplant und wir hielten an der Entscheidung des Vorjahres fest. Einkranen in Lemvig Marina an der Westseite des Limfjordes mit der ersten meteorologischen Überraschung. Drei Tage abwettern bei Windstärken bis 7-8 Bft. im Hafen von Lemvig. Schnell hatte man die Hafenanlage und den kleinen Ort kennen gelernt. Hier ist es sehr zu empfehlen, den Planetenpfad im Maßstab 1:1 Millionen km als Wanderpfad vom Lemvig aus - ca. 12,0 km - zu erwandern. Interessant ist es, die Distanz der unterschiedlichen Entfernung der Planeten in Relation zu ihrer Größe zu sehen. Die Sonne als 1.39 Meter umfassende Bronzekugel steht am Anfang des Lehrpfades. Luftweg bis zum Pluto beträgt 7 Km. Man wandert dann auf einem 12 km langen Lehrpfad, der gut gekennzeichnet ist entlang und kommt zu viereckigen Quadern, auf denen in Bronzeguss der nächste Trabant in seiner relativen Größe zu der Sonne zu sehen ist. Im Vergleich zur Sonne hatte Merkur die Größe eines kleinen Nagelkopfes! Als ich ihn anfangs sah, glaubte ich an Vandalismus. Irgend Einer habe wohl den Planeten abgerissen und auf der Bronzeplatte sei nur noch ein kleiner Knubbel von der Bruchstelle übrig geblieben. Nun, wer weiß schon wie groß Merkur in Vergleich zur Erde oder zur Sonne ist? Als wir dann aber an der Venus vorbei zur unserem "blauen Planeten" Erde kamen, war die Überraschung groß. Die Erde hatte in Relation zur 1,39 Meter großen Sonne die Größe einer Brustwarze. Bei Neptun und Saturn waren erstmalig eine Größe von einem Golfball erreicht und Jupiter war immerhin in der Größe eines Tennisballes zu bestaunen. Auf diesem Lehrpfad wurde mir die Dimensionen unseres Sonnensystems, das hier als Modell zu erwandern war, erstmalig in seiner Relation zu den unterschiedlichen Planeten bewusst. Jeder Schritt in der Größe von einem Meter beträgt in der Umrechnung zu der Planetenentfernung 1 Mil. Km. Während wir die Distanz entlang spazierten waren wir in Gespräche über unser Sonnensystem und astronomische Themen vertieft. Noch lange hat mich dieses Kunstwerk des dänischen Bildhauers intensiv gedanklich beschäftigt. Meine erwanderte Tagesleistung an diesem Tag entsprach also ca. 12.000.000.000 Km - eine reife Leistung, die ich an diesem Tag erwandert hatte.

Nach drei Tagen war der Wind bei 4-5 Bft. und eine Dünung bis auf 1 Meter herunter gekommen und uns hielt nichts mehr in dem bestens ausgekundschafteten Hafenstädtchen. Der Kurs führte uns erst nach NO in eine wunderschöne Ankerbucht Sester Odde, 56°42,10N, 008°54,00E. Eine deutsche Motoryacht lag dort mit einer dänischen Segelyacht spät Nachmittags vor Anker. Aufgrund unseres niedrigen Tiefganges als Kielschwerter konnten wir also noch weiter bis tief in die Bucht den Anker fallen lassen. Nach einer halben Stunde verließ uns die dänische Yacht - hätte die Besatzung vielleicht nicht ruhig schlafen können zwischen all den Hunnen um sie herum?

Das Wetter bleib launisch wie die Seegebiete, die es umgibt. Unser Segelfreund auf der Hansa-Jolle hatte sich den Wetterdienst per SMS auf sein Handy funken lassen. An einem Morgen als wir die Törnroute besprechen wollten, meldete sein SMS-Wetterdienst für den Limfjord: "Wind 1-2 in Böen 6"! Na prima, wir amüsierten uns köstlich über diese reife Leistung eines Meteorologen. Mit welcher Besegelung würden sie denn da auslaufen? Es waren dann eine konstante satte 5 in Böen 6 geworden, und wir waren mit zwei Reffs im Groß und kleiner Fock bestens bei 15° Krängung die 15 sm. unterwegs.

Die weiteren Törnabschnitte verliefen stückweise nach Westen. Meteorologisch ist der Limfjord beeinflusst durch die großen Seegebiete Skagerrak im Norden, Fischer im Westen und deutsche Bucht im Südwesten. Östliches Seegebiet ist das Kategatt.

Erstmalig kam mein Navigationskoffer mit der Wetter-Info-Box 3 von Mörer Schiffselektronik, (WIB 3) zum Einsatz. Das zigarrettenschachtelgrosse Gehäuse beinhaltet den ununterbrochenen Empfang und interne Abspeicherung der Daten von Deutschem Wetterdienst Seewetter (DWD), Navtex, Synop und einen Barograph. Der Empfang von Navtex ist Weltweit. Der Barograph ist im Gerät eingebaut und liefert Daten im Echtzeitmodus des jeweiligen Standortes. DWD wird 600 Km Radius um Pinneberg von dem verhältnismäßig kleinem Gerät mit integrierter Richtantenne empfangen. Es werden über eine Woche alle Meldungen automatisch aufgezeichnet und abgespeichert. Über USB wird die Wetterbox dann auf jedem handelsüblichen Notebook ausgelesen. Das Synop (Wind- Strömungskarte) zeigt die Seekarten von Nordeuropa vom 45°N bis 60°N Längengrad und vom 5°W über O° bis zum 15°E Breitengrad an. Kleine Pfeile signalisieren die Windrichtung von den terrestischen Wetterstationen und den Wetterbojen oder Stationen, die auf See liegen. Jeder kleine Pfeil ist eine eigene Wetterstation, die ihre Daten in Form von Temperatur, Windrichtungsangabe in Gradzahlen und Windstärke in Meter/Sek. angibt. Die ca. 40 Wetterstationen sind über Englischer Kanal, Deutsche Bucht, Nordsee, Fischer, Dogger, Forties, Viking, Utsira, Skagerrak, Kattegatt, Belte und Sund, gesamte Ostsee und Boddengewässer verteilt. Diese "Windkarte" in Verbindung mit den alle sechs Stunden aktualisierten Meldungen des DWD und Navtex und eigenen Barograph lassen ein umfassendes Studium der Wetterdaten zu. Wenig ist manchmal mehr, die Datenflut ist enorm und verunsicherte mich anfangs in der Einschätzung und Erstellung einer eigenen Prognose. Interessant war dann zu hören, das die Wettermeldungen die auf dem Seefunk oder Deutsche Welle zu bestimmten Tageszeiten durchgegeben werden, exakt von dieser Quelle abgelesen wurden. Was man in der WIB 3 schwarz auf weiß in Ruhe lesen konnte, braucht man nun nicht mehr hektisch mitzuschreiben oder per Tonbandkassette aufzunehmen.

Metereologische Grundkenntnisse sind in jedem Fall hilfreich aber nicht zwingend notwendig. Man liest sich aber auch als Anfänger schnell in die verschiedenen Seegebiete ein und macht die Erfahrung, das das Wetter etwas abgeschwächt über dem Limfjord, uns ca. 8 - 12 Stunden später als Fischer und Skagerrak bei westlicher Strömung, erreichte. Der Limfjord als eigenes Seegebiet wurde durch den DWD oder Navtex nicht ausgegeben. Es gelingt mir mit der Übung immer besser, je öfters man sich damit befasst - und so gut wie die "Wetterfrösche" aus dem Radio werden die eigenen Vorhersagen dann allemal. Die Kunst besteht wohl eher die Flut an Daten so zu verringern bzw. zu verarbeiten, das eine Vorhersage am wahrscheinlichsten wird. Dennoch sollte man sich immer vor Augen halten: "... und im Zweifelsfalle kommt es immer anders - und zweitens als man denkt." Die WIB 3 ist keine Garantie für gute Wettervorhersagen. Meine Mitsegler witzelten gelegentlich und frotzelten dann: "Jetzt hast du dir schon so ein tolles Teil an Land gezogen und noch nicht mal einen Drehknopf wie bei einen Thermostat, um das Wetter auf "Schön" drehen zu können". Tja - das wäre wohl der Traum eines jeden Skippers, dann hätten die WIB 3 wohl alle Leute. Mittlerweile ist es ein vertrautes kleines Navigationsinstrument geworden, ohne das ich in einem so interessanten Seegebiet wie den Limfjord oder anderswo nicht mehr navigieren möchte.

Der Törn verlief in den drei Wochen weiter ruppig mit Starkwind bis zu 8-9 Bft. Die längste Zeit verbrachten wir in Nyköping - ganze 9 Tage abwettern bis wir wieder auslaufen konnten. Nun - das ist eben Fahrtensegeln, man kann ohne Zeitnot eine komplette Bordbibliothek von dicken Wälzern genüsslich durchschmökern - wunderbar!

Ablegen nach Livø, 56° 53'11,23 N, 009° 05'54,14 O, eine sagenumwobene kleine Insel mitten im Limfjord, die geschichtlich eine interessante bewegte Vergangeheit hat. Von 1911 bis 1970 war Livø eine Gefängnisinsel: "Den Kellerske Åndssvageanstalt", dort waren 100 psychisch Kranke und geistig Behinderte kriminelle Männer untergebracht, die mit Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gärtnerei therapiert und beschäftigt wurden. Wer fliehen wollte konnte dies nur durch die See. Einige der Gebäude, die heute als Feriencenter genutzt werden, sind aus der "Gefängniszeit". Mehrere der unterbrachten Männer sind auf der Flucht von dieser dänischen Gefängnisinsel ums Leben gekommen. Livø war das dänische Alkatraz. Heute ist Livø eine wunderbarer Geheimtip... aber sagen Sie es keinem weiter.

Nach drei Wochen kamen wir gut erholt in Aalborg am Ostausgang wohlbehalten an. (Auskranen per Handkurbel)

Zusammenfassend ist zu sagen, für uns war der Limfjord ein hervorragendes Trainingsgebiet, um "ein- und ausreffen" bei Dünung von 1,5 Metern Wellen zu üben. Das können wir mittlerweile schlafwandlerisch sicher und gut im wellentanzenden Boot. Als Trainingsgebiet für eine Törnplanung "Rund Färoern" lässt sich der Limfjord mit seinem Starkwindrevieren auch bestens nutzen. Also, wen es mit dem Segelboot einmal nach Island oder zu den Shetlandinseln zieht, der hat hier ein gutes Trainingsgebiet gefunden, um sich darauf vorzubereiten.



Vorheriger Bericht: Rheinwoche 2007