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Das Argo-Projekt |
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Herstellung der Hansa-Jolle durch eine Arbeitsloseninitiative als Sozial - Sponsoring.Bendix Landmann" ... das hört sich sehr abenteuerlich an, was Sie da vorhaben," waren die wohlmeinenden Worte des Geschäftsführers Sebastian Klein der Hansa-Jollen-Segler-Vereinigung, als ich 1999 anläßlich der Jahreshauptversammlung, also vor fünf Jahren, den Bau einer Hansa- Jolle (HJ) als Sozialsponsoring skizzierte. Herr Klein sollte recht behalten, es war ein Abenteuer - aber wir sind endlich angekommen - mit allen Höhen und Tiefen, die ein solches Unternehmen mit sich bringt. Seit 29 Jahren bin ich im sozialen Bereich tätig und befasse mich in den letzten Jahren mit Sozialsponsoring. Firmen, die ein "soziales Image" zur Gewinnmaximierung benötigen, geben Geldbeträge zur Förderung "einer guten Sache". Das Firmenschild/-Erkennungssymbol wird dann bei dem Prozeß und der Öffentlichkeitsarbeit als Ausstellungshinweis hervorgehoben. Ein alltäglicher Ablauf, wie wir ihn von Sportveranstaltungen her kennen. So entstand die Idee, ein Segelboot durch eine Arbeitsloseninitiative bauen zu lassen, um arbeitslose Jugendliche "von der Straße" zu holen. Der lizensierte Rumpf wurde in GFK über F&D in Auftrag gegeben. Hinzu kam die Bestellung der Teak- und Mahagonihölzer die F&D ebenfalls zusammenstellte, ein Bausatz (GFK Rumpfschale und Hölzer) einer Hansa- Jolle im Maßstab 1:1 wurde ausgeliefert. Vorausgegangen war die Suche nach einer gemeinnützigen Werkstätte, die wir in Bonn bei der Ev. Diakonie fanden. Der Glücksfall dort war ein Schreinergeselle, der Bootsbauerfahrung hatte. Er hatte diese in Holland bei einem Bootsbauer gesammelt, der am "Bataviaprojekt" (Herstellung einer Hansakogge in den 90er Jahren aus EU Fördermitteln) beteiligt war. Nachdem der Bausatz auf dem Trailer in der Werkstatt in Bonn eingetroffen war, wurde hier eine Helling in der Werkstatt aufgebaut und die leere Rumpfschale vom Trailer auf die Helling gesetzt. Geplant war eine Bauzeit von einem dreiviertel Jahr. Ein Sponsor, die Deutsche Post AG (Brief- Paketpost) hatte 30.000,- DM gesponsort, damit arbeitslose Jugendliche ohne Lehrmöglichkeit über den Bootsbau an regelmäßige Arbeit herangeführt werden sollen. Das Geld war nicht zur Herstellung der Hans Jolle gesponsort worden, sondern wurde für die Aufwendungen der Betreuer/Pädagogen benötigt. Die Materialien und die Arbeitszeit des Bootsbauers oder auch anderer Mitarbeiter der Werkstatt wurde auf unser Konto summiert. Die Hansa-Jolle entstand nach den Originalbauplänen von Abeking & Rassmus (A&R.) Außer dem GFK Rumpf mit der Einfärbung "kupferbraun Ral 8004" sind die Aufbauten aus Mahagoni und Teak auf Eiche entstanden. Mein Interesse ist eher das Fahrtensegeln - Wettkämpfe habe ich in meinem Job schon täglich mehr als genug. Ich entschied also, die geschotteten Bereiche im Vor- und Achterschiff wie beim Original aufzubauen. Eine interessante Variation ist in der Plicht gelungen. Der Plichtboden (erhöhte Version über Wasserlinie lenzend) läßt sich durch handliche Bodenluken öffnen, darunter sind Bodenwrangen so angelegt worden, daß in den Zwischenräumen fünf-Liter-Auftriebskörper ihren Platz finden. Die Herkunft der Auftriebskörper kennt jeder, der schon einmal einen Rot- oder Weißwein im fünf-Liter-Karton gekauft hat. Entfernt man den Karton kommt ein doppelwandiger PVC-Sack zum Vorschein. Man muß nur noch den Ventilverschluß überlisten, damit dieser Sack dann befüllbar ist. Die einzelnen Auftriebskörper - insgesamt bis zu 25 Stück - lassen sich nicht nur mit Luft, sondern auch mit Trinkwasser, Benzin und - wem's gefällt - auch mit Rum oder Cognac füllen. Da sie am tiefsten Punkt in der Bilge direkt am Kiel liegen und nicht verrutschen können, erhält man ein zusätzliches Gewicht, das zur Trimmung bestens genutzt werden kann. Man sollte jedoch die Auftriebskörper in dem Gesamtvolumen von 560 Litern Luft im Auge behalten. Die Törnplanung mit unserer HJ auf einer Fahrt z.B. in Küstengewässern oder nach Helgoland beinhaltet ein unsinkbares Boot. Die Kombination von Auftriebsvolumen und Stauraum habe ich durch die Anfertigung eines speziellen Anbieters aus dem Wildwasser- Kajak- Bereich gelöst. Vor meinem Leben als Hansa-Jollen-Segler war ich ca. 26 Jahre im Wildwasser-Kajakwandern beheimatet. Die Firma HZ fertigt speziell für die geschotteten Bug- und Achterräume der Hansa- Jolle Auftriebskörper an, die aus flexiblem, dickwandigem Klarsicht-PVC hergestellt sind. Das Geniale an den Dingern ist ein luft- und wasserdichter Reißverschluß. Will man den Auftriebskörper also als Stauraum z.B. für Bekleidung o.ä. benutzen, öffnet man den Reißverschluß und legt die Sachen in den Auftriebskörper. Der PVC- Körper hat einen separaten Luftzugangschlauch, der dann mit einer Luftpumpe oder wie in meinem Fall mit einer elektrischen Pumpe gefüllt wird. Wer's sportlich braucht, kann auch selbst Mund anlegen und aufblasen, bei gesamt 560 Litern ein Vorhaben, das der Körper bei der Hyperventilation mit Schwindel und Übelkeit quittieren wird, und bevor man abgelegt hat, ist man seekrank wie ein Tölpel. Die Auftriebskörper haben bei unserer HJ eine doppelte Funktionsmöglichkeit erhalten, was das Platzangebot um einiges flexibler macht. Insbesondere beim Austrimmen über die Hochachse sind hier kreative Möglichkeiten gegeben. Zum Austrimmen bei Benutzung eines "Flautenschiebers" sitzt das Heck oft viel zu tief im "Bach" und saugt sich unnötig fest - man will ja schließlich voran kommen und nicht mit "Rückwärtsgang" wie angesaugt fahren. Man sollte aber dennoch die gesamte Kilozahl mit Litern von Luft ausgleichen. Hierzu sind also neben den Plicht- Heck- und Bugstaukästen noch zwei weitere variable Auftriebskörper, die mit Luft gefüllt werden können, mittschiffs an Back- und Steuerbord untergebracht. Damit man dann an Auftrieb z.B. bei längeren Seetörns in jedem Fall auf der sicheren Seite ist, habe ich noch ein aufblasbares Schlauchboot für zwei Personen in die Kajüte eingelegt, das vor Fahrtbeginn auch aufgeblasen werden kann. Bei der Lektüre der Berichte, die Rollo Gephard über seine Fahrten mit der HJ gemacht hat, fiel mir die Nutzung eines Schlauchbootes auf. Neben dem so wichtigem Auftrieb kann man ein solches Schlauchboot gut zum Anlanden benutzen, wenn die Uferbedingungen es erfordern. Und wenn's in den Schlafsack geht, läßt man einfach die Luft raus - knautsch das Ding in die nächste Ecke, und schon ist Platz zum Schlafen da. So ein Schlauchboot kostet einen Bruchteil eines speziellen Auftriebskörpers und ist bestens zu empfehlen. Die eigenen Wünsche beim original-historischen Nachbau einer Hansa- Jolle, das anspruchsvolle Ambiente der Teakdeckgestaltung (Fisch und Butt) und der Einbau verschiedener pfiffiger Konstruktionen hat im Selbstbau ein sehr individuelles Boot entstehen lassen. Dabei sind die Klassenvorschriften alle eingehalten worden. In diesem Winter ist ein Kajüteinbau mit kreativer Nutzung der Plicht als Kuchenbude und Stromversorgung über Solar eingebaut worden. Ich möchte die außergewöhnliche Entstehung und den Bau der "Argona" heute nicht mehr missen, es ist vergleichbar wie der erste große gemeinsam bewältige Sturm, der schwierige Törn oder das sehnsuchtsvolle Erlebnis, in einer schönen Bucht bei Sonnenuntergang zu liegen und mit sich und dem Boot eins zu sein. Jeder von uns kennt die Verbundenheit mit seinem Boot, die proportional zu den gemeinsamen Erlebnissen steigt und bindender wird. Wir hatten das Boot noch nicht einmal im Wasser gehabt und dabei schon so viele "Klippen umschiffen müssen". Einer der entsetzlichsten Momente war, als wir die unlackierte Rohbaukonstruktion mit einer Laufkatze (Industriekran) aus der Helling auf den Trailer hoben. Die HJ war an den Heißösen mit einer Stahltrosse aufgenommen worden und hing nun zwei Meter über dem Werkhallenboden. Ich stand genau vor dem Bug, und mir gefror das Blut in den Adern, als ich bemerkte, daß die ganze Konstruktion mit einer Krängung von knapp 15 Grad am Haken hing. Dem Bootsbauer entfuhr es nur noch: " .... wieso hängt das Mädel so schief - das kann doch nicht wahr sein!" Das war eine schwere Stunde. Eine Woche später wurde eine erste Notwasserung des Bootes im Rohzustand im Rhein vorgenommen, um über die Gewichtslage Gewißheit zu bekommen. Das "Mädel" lag genau im Wasserpass - nur die Heißösen waren asymmetrisch vergossen worden, und dadurch hatte sich beim Aufheißen eine Schieflage ergeben. Aber in solchen Momenten haben meine Frau und ich uns oft bange Fragen gestellt, ob nicht ein Boot - ganz normal bestellt - nicht ein paar Falten und graue Haare erspart hätte. Ganz abgesehen von den schlaflosen Nächten, in denen man einfach nicht zur Ruhe kam, weil man an einem baulichen Problem herumkaute und endloses "Schäfchenzählen" auch keinen ersehnten Schlaf gebracht hatte. Eine Arbeitskollegin, die selbst zu den "Yachtis" gehört, hat mir in der Anfangszeit der Planung des Argoprojektes folgendes Zitat von Antoine de Saint-Exupery geschenkt: "Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Aufgaben zu verteilen, Werkzeuge zu beschaffen und Holz vorzubereiten, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem endlosen Meer". Ich denke es ist nicht unehrenhaft, als Sozialarbeiter einen solchen Weg zu einer HJ zu gehen. Ihn zu empfehlen, ist vielleicht wirklich nur etwas für Abenteurer. Die arbeitslosen Jugendlichen und viele Mitarbeiter der Werkstatt haben den Bau der Argona nicht als eine herkömmliche Arbeit gesehen, sondern mit Stolz und als eine Berufung aufgefaßt. Es war ein Unterschied, ob man bei dem "Argo-Projekt" dazu gehörte oder mit den anderen Aufgaben der Schreinerei beschäftigt war. Der Abschied von dem Schiff tat dann vielen sehr weh - irgendwann ist eben Ende. Wir werden heute noch gelegentlich von Mitarbeitern per e-mail angesprochen, und man erkundigt sich sehr genau über das Befinden der Argona. Mein Dank gilt vielen Beteiligten in der Geschäftsführung, der Werkstatt und insbesondere der Firma Fricke & Dannhus. Ohne die selbstverständliche Kooperation und die spätere Hilfestellungen während der Bauphase säßen heute einige Jugendliche nach wie vor auf der Straße. Bei der momentanen Auftragslage von Firmen, die am freien Markt operieren müssen, ein nicht selbstverständliches Entgegenkommen. Ohne die Unterstützung durch Fricke & Dannhus wäre das Boot nicht das, was es heute ist. Zum Nachahmen in jedem Fall etwas für Zeitgenossen, die innere Spannungen ertragen und kreativ umsetzen können - täuschen Sie sich nicht, kostengünstiger wird der Bau nicht - aber ereignisreicher in jedem Fall. Vorheriger Bericht: Bonner Stadtmeisterschaft der Rheinsegler 2004 |